Kugelstoßer Niko Kappel ist neuer Inklusionsbeauftragter

  17.12.2024    WLV Top-News WLV BW-Leichtathletik Top-News BW-Leichtathletik
Seit Mitte November trägt Niko Kappel das Ehrenamt Inklusionsbeauftragter für die Leichtathletik im WLV-Gebiet. Dabei wurde seine Wunschvorstellung bereits auf einen guten Weg gebracht.

Eine wirkliche Aufgabenbeschreibung für das Ehrenamt gebe es nicht, meint Kappel. Das sei aber nicht weiter schlimm: „Ich arbeite gerne im Hintergrund und stelle Kontakte her. Es geht mir in dieser Rolle vorrangig darum, eine gute mediale Wirksamkeit zu erzielen, ein Signal für Inklusionsmöglichkeiten zu setzen und zurückzugeben, wovon ich selbst profitiert habe.“

Mit 29 Jahren ist der Para-Kugelstoßer deutschlandweit bekannt. Mit einer Wurfweite von 15,07 Metern hält er den Weltrekord. In Stuttgart darf er nun nicht nur für den VfB 1893 Stuttgart starten, sondern auch die Inklusion in Württemberg vorantreiben. Dabei ist für ihn in jedem Training am Stützpunkt Inklusion spürbar: „Das Training in Stuttgart ist in Deutschland einzigartig: olympische und paralympische Athlet:innen trainieren gemeinsam, die Haupttrainer:innen tauschen sich aus, wir analysieren gemeinsam und füreinander und erzielen dadurch unsere Bestergebnisse.“

Dieses Modell sollte in Kappels Vorstellung auch zur Vision in der württembergischen Leichtathletik werden. Besonders auf struktureller Ebene ist es wünschenswert olympischen und paralympischen Sport zusammenzuführen – dadurch können Trainingsressourcen besser eingesetzt werden, das Denken wird verbindend, statt teilend. Dabei geht es dem Kugelstoßer nicht allein um den Leistungssport: „Ohne Breitensport bekommen wir keinen Leistungssport, und umgekehrt auch nicht.“ Es geht Kappel in seiner Arbeit, die er selbst eher als Hobby bezeichnet, also um die Sichtbarkeit, damit Nachwuchs auch eine Chance hat.

Jeder fängt mit einem Schritt an zu rennen

Dass eine Wunschvorstellung nicht über Nacht zur Wirklichkeit werden kann, ist dem 29-Jährigen bewusst. Daher will er sich auf die kleinen Schritte der Inklusionsarbeit fokussieren und als Ansprechpartner aus der Praxis den Vereinen zur Verfügung stehen.

„Es geht nicht alles auf einmal,“ fasst Kappel zusammen, „aber nicht jeder Verein muss auch sofort alles anbieten.“ Dadurch, dass die Leichtathletik aus vielen verschiedenen Disziplinen besteht und es im Parasport verschiedene Startklassen gibt, kann jeder Verein und jede Leichtathletik-Abteilung in ihren möglichen Rahmen mit Inklusion beginnen; vom gemeinsamen Lauftraining bis hin zur gegenseitigen Analyse von Wurftechniken dürfe alles dabei sein.

Was das Schönste an einem inklusiven Training sei? „Wir stehen nicht in Konkurrenz zueinander“, beschließt Kappel. „Dadurch, dass jeder und jede selbst in derselben Disziplin einen persönlichen Schwerpunkt setzt, können wir ohne Konkurrenzdenken miteinander trainieren und voneinander lernen.“ Diesen Gedanken weiterzugeben sei nun eine Hauptaufgabe in seinem Ehrenamt als Inklusionsbeauftragter.

Darüber hinaus geht es dem Kugelstoßer vorrangig um Wissensvermittlung. „Oftmals weiß man als Verein nicht um die Möglichkeiten und die richtigen Ansprechpartner. Bürokratie kommt schnell erschwerend hinzu. Daher möchte ich als Ansprechpartner im WLV-Gebiet mir die Ängste und Sorgen anhören und unterstützende Kontakte herstellen, wo ich kann.“

„Wir können das“, denn wir sind schon dabei

Ängste und Sorgen um zu erfüllende Vorgaben seien derzeit eines der größten Hindernisse in der Zusammenführung von olympischem und paralympischen Sport. „Sport ist leider politisch geworden, was viele Meinungsverschiedenheiten mit sich bringt. Dabei ist das größte Problem, dass viele verschiedene Meinungen und auch viele verschiedene Zielvorstellungen von erfolgreicher Inklusion haben. Jedem kann man es nicht recht machen.“

Für Kappel besteht eine erfolgreiche Zusammenführung des Sports in der Gleichstellung aller olympischen und paralympischen Athlet:innen mit allen Vorteilen und allen Nachteilen. Ein erster Schritt bestehe darin, Trainer:innen und Kampfrichter:innen in beiden Richtungen auszubilden und somit Ansatzpunkte für Kooperationen und inklusives Training zu schaffen. Durch eine solch niederschwellige Maßnahme würden dann wiederum Vereinen die Sorge um zusätzliche Ausbildungs- und Personalkosten genommen.

Dass der gemeinsame Sport einen absoluten gesellschaftlichen Mehrwert hervorruft, reflektiert Kappel auch auf die Olympischen und Paralympischen Spiele in Paris: „Das investierte Geld wird 100-fach zurückgegeben, in dem, was gesellschaftlich möglich ist und sein wird.“ Sportliche Werte und Verhaltensformen wie Rücksichtnahme, Verlieren lernen, Teamgedanke, Ziele setzen, verfolgen und erreichen und ein persönliches gesteigertes Selbstvertrauen sind alles Werte, die auch im gesellschaftlichen Leben gebraucht werden. Nur, dass diese im inklusiven Sport spielerisch vermittelt werden.

Viele Stimmen pro und contra der Bewerbung Deutschlands für die Olympischen und Paralympischen Sommerspiele 2040 wurden bereits gehört. Kappel selbst sagt: „Wir können das. Wir sind bereits auf einem guten inklusiven Weg in Deutschland. Und vielleicht werden wir sogar Paris übertreffen.“ 

 

Lisa Rosenberger / wlv