Im Gedenken an Elle Freudenberger
Eine Pionierin der Leichtathletik
Nachruf in der Südwestpresse:
Als sie 1946 zusammen mit ihrem Bruder Kurt als Mittelstrecklerin das Donaustadion betrat, war sie noch Vorkämpferin für die Frauen-Leichtathletik, die damals nur aus wenigen Disziplinen bestand, weil die Mediziner gesundheitliche Schäden befürchteten. „Damals zur Nachkriegszeit wollte ich als Leichtathletin einfach nur rumkommen, Sportler aus anderen Ländern treffen und mich mit ihnen messen“, sagte sie einmal zur SÜDWEST PRESSE. Die 800 m waren eine der Strecken, die Frauen laufen durften. „Und ich wollte zeigen, dass ich als Frau etwas kann. Ein ganz konkretes Ziel war es, einmal im Finale der Deutschen Meisterschaften zu laufen.“ Geschafft hat sie das fünf Mal. Sie wurde nicht weniger als 24 Mal württembergische oder gar süddeutsche Meisterin.
Aus der erfolgreichen Läuferin wurde eine landesweit anerkannte Funktionärin über viele Jahrzehnte hinweg, unter anderem als Vorsitzende der LeichtathletikAbteilung im SSV Ulm 1846. Zudem war sie langjähriges Präsidiumsmitglied des Württembergischen Leichtathletikverbandes. Den Kampf für die Frauen in der Leichtathletik führte sie als Trainerin, Sportwartin, Kreisvorsitzende, Frauenwartin und Vizepräsidentin auf allen Verbandsebenen weiter – und gewann ihn. Heute sind längst deutlich mehr Mädchen als Jungs auf der Bahn, und es gibt keine Disziplin mehr, die ihnen verwehrt würde. Für ihr riesiges Engagement wurde sie mit Ehrungen überhäuft, vom SSV Ulm 1846 wie vom Württembergischen Leichtathletikverband zum Ehrenmitglied ernannt. Wobei: Ehrungen waren eigentlich nicht so ihr Ding. Sport prägte ihr Leben, und sie prägte Generationen von Talenten, schrieb die SÜDWEST PRESSE anlässlich ihres 90. Geburtstages, den sie noch im Kreis ihrer Familie und mit vielen Leichtathletik-Gästen feiern durfte. Jetzt ist sie im Alter von 95 Jahren gestorben.
„Elle ist eine Pionierin der Leichtathletik“, sagte damals Abteilungsleiter Wolfgang Beck – zuvor drei Jahrzehnte ihr Kollege im Donaustadion – mit hörbarer Bewunderung über seine Amtsvorgängerin, wie er bis zur Rente angestellte Trainerin der Stadt. Heute, im Rückblick, meint er: „Die Ulmer Leichtathletik würde ohne sie nicht dort stehen, wo sie ist. Das ist ihr Lebenswerk.“
Akribische Arbeiterin
„Isch machbar“ war einer ihrer Lieblingssprüche, ob beim Training im Donaustadion oder bei Abteilungs-Sitzungen. „Machbar“ war für Elle Freudenberger alles, was es ihren Schützlingen ermöglichte, ihr Potenzial auf der Bahn zu verwirklichen. Es gab nichts, was ihr zu viel war. Ob es das Training für die Kleinsten war, das sie auch in ihren 80ern noch gab, oder das akribische Vorbereiten von kleinen und sehr großen Veranstaltungen im Donaustadion, um ihrer Leichtathletik den richtigen Rahmen zu geben. Das Donaustadion war über Jahrzehnte ihre zweite Heimat. Auch lange nach ihrer Verrentung eilte sie immer noch jeden Nachmittag mit Sack und Pack ins Donaustadion: Um die vielen kleinen Dinge für die Abteilung zu erledigen, um im Training mit anzupacken, um sich mit den Trainerinnen und Trainern zu unterhalten oder um die Entwicklung ihrer vielen Schützlinge zu beobachten. Und nebenbei mit Argusaugen auf ihr Stadion zu achten. Ihr „Hey! Nicht über den Rasen!“ ist Generationen von Ulmer Leichtathleten noch im Gehör.